Geschichte des Adler-Archivs
Im November 1921, drei Jahre nach dem Tod Victor Adlers, bat sein Sohn Friedrich (Fritz) in einem international verbreiteten Aufruf um die Zusendung von Briefen und Schriften seines Vaters. Die Sammlung, die damals entstand, bildete die Basis des Adler-Archivs. Als Friedrich Adler 1923 Sekretär der Sozialistischen Arbeiter Internationale (SAI) wurde, nahm er den Papiernachlass seines Vaters nach England mit und kehrte zwei Jahre später damit in die Schweiz zurück, wo er schon seine Studentenzeit und ersten Berufsjahre verbracht hatte. Nach dem Tod seiner Mutter Emma 1935 gliederte Friedrich auch ihren Nachlass in das Adler-Archiv ein.
Nach Hitlers Machtübernahme in Deutschland 1933 organisierte Fritz Adler als Sekretär der SAI, zusammen mit anderen führenden Sozialdemokraten, eine groß angelegte Rettungsaktion für das akut bedrohte geistige Erbe der europäischen Arbeiterbewegung. Diese Unternehmung führte 1935 zur Gründung des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam, wo das Adler-Archiv wie auch das Archiv der Sozialistischen Internationale eine erste Heimstatt fanden. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die wichtigsten Archivalien nach Großbritannien transferiert oder in geheimen Depots in den Niederlanden untergebracht. Das Adler-Archiv wurde der sozialdemokratischen Emigration in Frankreich überstellt und überlebte den Krieg in einem Versteck im westfranzösischen Amboise.
In seinem Testament verfügte Fritz Adler im Oktober 1953, dass sein persönliches Archiv mit dem Nachlass seiner Eltern zusammengeführt und in einem größeren und gut gepflegten – vorzugsweise österreichischen – Archiv sozialistischen Charakters dauernd aufbewahrt werden sollten. Nach dem Abzug der russischen Besatzungsmacht und der Gründung des VGA in Wien am 12. Februar 1959 waren die Bedingungen des Erblassers erfüllt, und das Adler-Archiv, eine der wertvollsten Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, konnte 1961 vom VGA übernommen werden.