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Der Unvollendete

Am 6. Juni 2022 jährt sich der Todestag von Peter Strasser zum 60. Mal - ein Anlass, um an den früh verstorbenen Politiker zu erinnern.

Als Peter Strasser starb, war er knapp 45 Jahre alt. Aber wie viel hat er in seinem Leben geleistet, angeregt und erreicht! Schon sein beruflicher Werdegang zeigt die Vielfalt seiner Fähigkeiten und Interessen. Er arbeitete als Techniker und Journalist, aber auch in einem Übersetzungsbüro und als Schilehrer. 

 

Er war Widerstandskämpfer, Obmann der Sozialistischen Jugend und der sozialistischen Jugendinternationale (IUSY), Abgeordneter zum Nationalrat und Mitglied der österreichischen Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarates. Dem zuletzt genanntem Gremium gehörte er ab 1956 an, jenem Zeitpunkt, als Österreich dem Europarat beigetreten ist. Im Oktober 1961 vertrat er Österreich bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Nicht zuletzt war er bis zu seinem Ableben Obmann der Wiener SPÖ-Bezirksorganisation Alsergrund. 

Als Abgeordneter zum Nationalrat war Strasser Mitglied des Justizausschusses und maßgeblich am Werden der heute noch gültigen Straßenverkehrsordnung beteiligt. Mit voller Kraft setzte er sich für Verkehrssicherheit und gegen Alkohol am Steuer ein. Sein Wahlkreis lag in Niederösterreich, ein steiniges Pflaster für die Sozialdemokratie. Regelmäßig hielt er Sprechstunden ab, besuchte Parteiversammlungen und konnte vielen BürgerInnen helfen. Als Mitglied des Landesverteidigungsausschusses kümmerte er sich auch um die Probleme der einfachen Soldaten und Rekruten. 

Sein Herz schlug links, doch er bekämpfte den Kommunismus sowjetischer Prägung. Dessen Wirken erlebte er hautnah in Ungarn 1956, als er als Journalist über die ungarische Revolution und deren Niederschlagung berichtete. Im Zuge dieser tragischen Ereignisse lernte er seine zweite Frau Marie kennen. 

Ein weiteres Lebensthema bildete sein Engagement für die Länder des Südens. Schon sehr früh, im Winter 1953/54, bereiste er im Rahmen einer Delegation der IUSY Südostasien und berichtete darüber in unzähligen Zeitungartikeln. Aus dieser Zeit kannte er sozialistische indische PolitikerInnen wie zum Beispiel Ram Manohar Lohia (1910–1967), Asoka Mehta (1911–1984) und Vijaya Lakshmi Pandit (1900‒1990). Er ergriff Partei für die algerische Freiheitsbewegung, was ihn in Opposition zur SFCIO, der offiziellen sozialdemokratischen Partei Frankreichs brachte. Anfang 1960 reiste Strasser nach Afrika; zuerst nach Kamerun, wo Aufständische gegen die pro-französische Regierung   kämpften. Seiner Frau berichtete er von dort verübten Gräueltaten. Später lud ihn der senegalesische Staatspräsident Léopold Sédar Senghor nach Dakar ein.   

Doch zu dieser Reise kam es nicht mehr. 1959 war bei Strasser eine Form von Leukämie diagnostiziert worden, die auch die Lymphdrüsen schädigte. Diese „drückten […] derart auf die Luftröhre, dass ich mich nur mehr hustend durchs Leben schlagen konnte“, schrieb Strasser am 8.  März 1962 an einen Bekannten. Doch er blieb zuversichtlich. Nach einer Serie von Kobalt-bestrahlungen gehe es ihm nun besser: „Ich fühle mich − seit längerer Zeit − […] wirklich in Ordnung und bin sehr, sehr aktiv.“ Dies zeugt von seinem ungebrochenen Lebenswillen. Drei Monate später jedoch ist Peter Strasser verstorben

Veronika Kaiser

Siehe auch: Dokumentation und Nachlass Peter und Marie Strasser