Links Impressum Kontakt

Studienbibliothek

Der zeitliche Rahmen der Bibliotheksbestände wird durch den historischen Wendepunkt 1867 bestimmt, als nach dem Ende des habsburgischen Absolutismus in der liberalen Phase das neue demokratische Vereinsrecht die Gründung von Arbeiterorganisationen ermöglichte. So stammen aus dieser Zeit auch die ersten legalen Quellen wie Zeitungen, Flugblätter, Jahresberichte usw. Was den prinzipiellen Charakter der Bibliothek betrifft, so gilt es einerseits, die Publikationen des historischen Phänomens Arbeiterbewegung zu dokumentieren, andererseits die aktuell erscheinende Sekundärliteratur laufend zu sammeln.

















Verwaltet wird der 65.000 Bände umfassende Bibliotheksbestand heute edv-gestützt: Die Software des in den 1980er Jahren von der UNESCO entwickelten Programms ISIS steht prinzipiell allen Bibliotheken im Non-Profit-Bereich gratis zur Verfügung. Der Aufbau der Bibliotheksdatenbank läuft seit 1991 und hat unseren Buchbestand in seinem inneren Gefüge stark geprägt. Dennoch lassen sich die historisch gewachsenen Strukturen, die mit der Entwicklung des VGA eng verbunden sind, noch immer vielfach nachvollziehen.

Parallel zur politischen Geschichte der Arbeiterbewegung gilt auch für die Bibliotheken und Publikationen das Jahr 1945 gewissermaßen als Neubeginn. Die Überlebenden des Nationalsozialismus rekonstruierten, welche gedruckten geistigen Sachwerte den Faschismus selbst überlebt hatten. So schrieb Friedrich Adler 1947 an Annie van Scheltema: „Vorgestern war ein Genosse aus der Wiener Arbeiter-Zeitung hier und ich habe von ihm einiges Interessantes gehört. Ein vollständiges Exemplar der Arbeiter-Zeitung ist gerettet und in der Redaktion Pollak aufgestellt. Weiter ist merkwürdigerweise fast die ganze Bibliothek, die dem Parteivorstand gehörte, intakt und wurde niemals weder unter Schuschnigg noch unter Hitler berührt. Sie steht wie früher im ersten Stock in der Wienzeile. Dort sind nicht allzu viele aber einige sehr wertvolle Bücher. Da hat das Nicht-Interesse der Faschisten für Gedrucktes günstig gewirkt, aber im Wesentlichen ist es ein Zufall.“ (Friedrich Adler an Annie van Scheltema v. 10. 12. 1947. VGA, Adler-Archiv, Mappe 515.)

Dieser aus historischer und bibliophiler Sicht bedeutsame Bestand wurde 1971 vom Vorwärts-Verlag an den VGA übergeben und als in sich geschlossener Corpus bewahrt.

Seit der Gründung des VGA waren die Bibliothekare bemüht, die Publikationstätigkeit der österreichischen Arbeiterbewegung in ihrer Vollständigkeit zu erfassen und der Forschung öffentlich zugänglich zu machen. Die Erfüllung dieses Anspruchs basierte auf einer intensiven bibliographischen Forschungstätigkeit zur Publikations- und Verlagsgeschichte der Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen.
Doch die Haupthindernisse im Bestreben, eine derartige vollständige Dokumentationsstelle aufzubauen, liegen in der politischen Geschichte des Landes selbst. In ihrer Anfangsphase waren die Arbeitervereine als ungeliebte politische Bewegung seitens der habsburgischen Behörden streng überwacht, ihre Publikationen zensuriert und ihre Organisationen immer wieder aufgelöst worden. Auf diese Weise wuchs in so manchem Archiv der k.k. Polizeibehörden eine umfangreichere Sammlung österreichischer Sozialistica an, als in zahlreichen Arbeiterbüchereien zu finden war.

Andererseits entwickelte sich die Arbeiterbewegung als breites soziales Phänomen, das sich auf zehntausende Aktivisten stützen konnte, die ihr auch emotional tief verbunden waren. Und gerade die Sammlernaturen unter ihnen archivierten jedes Maiabzeichen und jede Bildpostkarte, Einladungen und Broschüren. So manche dieser Sammlungen überstand wohlbehütet die Diktaturen im Inland oder überlebte in der Emigration. Für den VGA waren und sind diese bemerkenswerten Privatsammlungen ein wichtiges Potential zur Ergänzung unserer Bibliotheksbestände.

Die in den 1960er Jahren entstandene Bibliothek des VGA entwickelte sich zur Gänze aus Schenkungen, Sachspenden bzw. aus Büchern, die in Nachlässen gefunden wurden.




Robert Danneberg: "Das neue Wien" 
in verschiedensprachigen Editionen




















Qualitativ und quantitativ zählen zu unseren bedeutendsten Zugängen die Schenkungen der Bibliotheken von Karl Seitz, Adolf Schärf, Oskar Helmer, Benedikt Kautsky, Ernst Winkler, Friedl Scheu (ein Nachkomme der legendären Brüder Scheu aus der frühen Wiener Arbeiterbewegung), Manfred Ackermann, Anton Benya und Fritz Klenner. 2004 konnten die historischen Bestände der Bibliothek des Renner-Institutes, 2008 die Bibliothek der Zukunftswerkstätte übernommen werden.


Widmung Friedrich Engels an Adelheid Dworak (verh. Popp)

Aus dieser Entstehungsgeschichte erklärt sich der bemerkenswerte Umstand, dass zahlreiche unserer Bücher und Broschüren mit persönlichen Widmungen, Autographen und Ex libris von bedeutenden Persönlichkeiten versehen sind. Als Beispiele seien hier genannt: eine Widmung von Friedrich Engels an die junge Adelheid Popp (damals eigentlich noch mit ihrem wenig bekannten Jugendnamen Dworak) und eine Widmung von Adolf Loos an den Parlamentspräsidenten und späteren Wiener Bürgermeister Karl Seitz in der von Loos 1919 herausgegebenen Schrift „Richtlinien für ein Kunstamt“.